Strassen-Gang oder Architekt - Voxel Turf im Linux-Test

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Neben den vielen großen Titeln, die es unter Linux inzwischen zu spielen gibt, gibt es aus dem Indie-Entwickler-Bereich auch eine hübsche Anzahl etwas unbekannterer Titel. Wir freuen uns immer auch auf solche Titel zu stoßen. Abseits von der großen Gaming-Welt erfinden sich hier viele Entwickler selbst neu, probieren auch mal waghalsige Ideen aus oder folgend einfach ihrer Idee für ihr Spiel.

Wir freuen uns daher, dass wir uns Voxel Turf vom Entwickler Liam Twigger näher anschauen konnten. Er hat uns freundlicherweise mit einer Pressekopie ausgestattet, als wir ihm aus Interesse an der Spielidee und der nativen Linux-Unterstützung angeschrieben haben.

Unser Interesse geweckt hatte die Grundidee des Spiels. Eine Mischung aus Minecraft, Blöckchen, Städtebau, Action-Adventure und Grand Theft Auto? Klingt ziemlich vollgepackt mit anspruchsvollen Features für ein Spiel eines kleinen Indie-Entwicklers. Da der Entwickler Windows und Linux offiziell unterstützt, wollten wir uns selbst ein Bild von dem Spiel machen. Daher nun unser Review zur Steam Linux-Version von Voxel Turf.

Über das Spiel

Man sagt, der erste Eindruck wäre immer der richtige. Das würde diesem Spiel allerdings nicht die Chance geben, die es verdient hat. Mein erster Eindruck war von völliger Überwältigung geprägt. Direkt nach der Installation habe ich das Spiel gestartet und bin in den Einzelspielermodus gesprungen. Dort hat man die erste Wahl, nämlich welchen der Spielmodi man spielen möchte. Neben dem Tutorial, kann man in den Build-Modus, den Turf-Modus, den Turf-Zero und den Strategy-Modus wechseln. Nach der blinden Auswahl eines der Modi und der darauf folgenden Modi-Konfiguration, ohne auch nur zu wissen, was ich da ausgewählt hatte, fand ich mich kurze Zeit später in einer hübsch animierten Stadt ganz im Blöckchen-Stil wieder. Links oben befindet sich eine Übersichtskarte, rechts an der Seite ist scheinbar mein Inventar. Vor mir fahren auf einer Strasse einige Autos und auf den Gehwegen laufen tatsächlich verschiedene Menschen herum. Alles im Blöckchen-Stil aber dennoch detailliert. Die Sonne wandert über den Himmel und wirft Schatten. Ich erinnere mich an die Mail vom Entwickler, der mich darauf hinweist, dass es einen Cheat-Modus gibt, mit dem man alle Waffen bekommt, um das Spiel ausgiebig testen zu können.

Jetzt kann es los gehen. Die gesamte Welt ist zerstörbar, mit dem Raketenwerfer schneide ich Einschlaglöcher in die Hochhäuser und zerstöre Straßen, worauf sich dort Staus hinter dem Auto bilden, das in mein Straßenloch gefahren ist. Mit dem automatischen Gewehr verängstige ich die heimische Blockbewohner bis mich die Polizei mit einem großen Aufgebot zur Vernunft bringen will. Mit drei Sternen tauche ich als gesuchter GTA-Süchtling in eines der bewohnten Häuser ab und fühle mich ein wenig als Störenfried, als ich den Bewohnern ein Loch in die Wand ihres Schlafzimmers schieße, um der anrückenden Polizeihorden zu entfliehen.

Der Stau ist inzwischen größer geworden und hat nun auch schon Nebenstrassen eingenommen. Jetzt sehe ich auch, dass es verschiedene Geschäfte gibt, die auch tatsächlich Waren anbieten. Dann begegne ich freien Bauflächen, ob man wohl möglich hier seine eigene Hütte hinbauen könnte?

Als es Nacht wird, fällt mir auf, dass der Sternenhimmel echt ist. Die Plejarden stehen neben dem Stier und auch Orion ist (wenn auch gedreht) eindeutig erkennbar. Der Detailgedanke gefällt.

So langsam begreife ich die Ausmaße des Spiels. Vergessen wir also den ersten holprigen Start und sehen uns das Spiel genauer an.

Spielmodi

Das Spiel funktioniert in verschiedenen Spielmodi. Diese unterscheiden sich stark in ihrer Spielrichtung. Wer gerne vor sich hin baut wird damit ebenso bedient wie der Rambo, der sich gerne ins Gemetzel stürzen möchte.
In jedem Spiel kann man seine Freunde einladen und das Einzelspieler-Spiel zu einem Multiplayer-Spiel machen, oder gleich im Multiplayer beginnen.

Jedes Spiel lässt sich in den drei Schwierigkeitsstufen „leicht“, „mittel“ und „schwer“ spielen.

Alle Spielmodi lassen sich noch konfigurieren. Neben der Kartengröße, einem Seed lassen sich noch zusätzliche erweiterte Spieloptionen aktivieren. Dort lässt sich einstellen, ob Basis-Bau erlaubt ist, wie die Startbedingungen sind, welche Geldmittel wie fließen sollen (stündlich, fester Startbetrag), ob Turf-Kriege von der KI angezettelt werden können und weitere.

Tutorial

Voxel Turf ist eines der Spiele die ohne Tutorial fast unspielbar sind. Es ist einfach der Komplexität des Spiels geschuldet, dass der interessierte Spieler die einzelnen Punkte des Tutorial durchgeht. Dort werden alle grundlegenden spielmechanischen Aspekte nacheinander erklärt, in dem der Spieler einfache Aufgaben erledigt. Zwar hat es einen Moment gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich nach dem Einstieg in den Tutorial-Level „TAB“ drücken und im Menühalbkreis „Missionen“ auswählen muss. Ab da konnte man den Befehlen jedoch folgen. Missionsziele werden auf der Karte markiert und man lernt das Blöckchen setzen, das Steuern der Fahrzeuge (Auto, Panzer, Hubschrauber) und das Schießen. Sobald man sein eigenes Stückchen Land erworben hat, geht es mit dem Bauen los.

Hier hat es bei mir allerdings etwas gestockt. Das Tutorial führt den Spieler zwar durch die einzelnen Elemente des Spiels, die Erklärungen sind dennoch recht kurz gehalten und außer den hilfreichen Tipps im Spiel gibt es keine weiteren Texte. Die Tutorial-Aufgabe war es eine Fabrik auf meinem neu erworbenen Gelände zu bauen, wie das aber von statten gehen soll, wird leider nicht erklärt. Das genau sollte aber ein Tutorial erklären. Der Entwickler gibt hier aber in zahlreichen Erklärungsvideos weitere Tipps, wie das Spiel funktioniert. Ein wenig lesen und Eigeninitiative bringen einen hier weiter.

Build

Im Build-Modus startet man mit unendlichen Ressourcen auf einer freien Welt. Sie ist mit Wäldern, Gewässern, Hügeln und kleinen Nachbar-Städtchen prozedural vorgeneriert.

Turf

Das ist der Standard-Modus. In einer prozedural generierten Stadt kann der Spieler Missionen spielen, seine Basis ausbauen und gegen Fraktionen konkurrieren.
Die Missionen sind unterhaltsam abwechslungsreich. Neben Killer-Missionen können zum Beispiel auch Autorennen gefahren werden. Oder Aufstände unterstützt werden, die die lokale Regierung stürzen sollen. Oder man geht Autos klauen. Oder man arbeitet als Wohnungshai. Oder als Architekt (es gibt über 50 vorgefertige Baupläne für Häuser und Hochhäuser). Es gibt viele Optionen.

Turf Zero

Im Prinzip eine Mischung aus „Build“ und „Turf“. Auf der leeren Karte muss man sich allerdings seine Gebäude und Blöcke aus dem Sammeln von Ressourcen und Geld erbauen.

Strategy

Hier kommt alles zusammen. Dieser Modus ist für fortgeschrittene Spieler gedacht. Hier können die 16 (!) KI-Fraktionen auch Kriege beginnen. Hier wird auch die Diplomatie zwischen den Fraktionen wichtig.

Detailverliebt

Das Spiel ist wirklich detailverliebt und es ist ein Wunder, wie es der Entwickler geschafft hat, auf so viele Kleinigkeiten zu achten. Um euch einen Eindruck zu vermitteln, zähle ich ein paar bemerkenswerte Features auf, die mir beim Spielen über den Weg gelaufen sind.

  • Sternenhimmel ist echt
  • Ampelsteuerungen folgen Programmierung und die Autos halten sich daran
  • Autos versuchen Unfälle zu vermeiden
  • In der prozedural generierten Welt gibt es neben verschiedenen Häusern auch Fabriken, Einkaufsläden und Parks. Alles ist stimmig angeordnet.
  • Funktionierende Lichtschalter und Schalterregelungen
  • RPG-System
  • Waffen lassen sich modden und verändern
  • Automatik-Türen in den Supermärkten

Grafik, Performance und Portierung

Auf dem Ryzen R7 1800X mit einer NVIDIA GeForce 960 war das Spiel ohne Probleme bei maximalen Details spielbar. Offiziell wird ein Intel i5 und eine NVIDIA GeForce 770 empfohlen. Mindestens sollte es jedoch eine Intel HD 4000 sein.

Trotz des Detailreichtums und der komplexen Spielmechanik im Hintergrund scheint die CPU-Erwartung relativ niedrig zu liegen.

Die Linux-Version ist offiziell für Ubuntu 16.04 und Linux Mint ausgelegt. Auf der OpenSUSE-Maschine gab es jedoch auch keine Schwierigkeiten(bis auf das übliche SUSE-Steam-Problem).

Das Spiel integriert auch den Steam Workshop und bietet eine Modding-Schnittstelle an.

Kaufen

Voxel Turf kann auf Steam für Linux für €7,99 erworben werden.

Fazit

Ich kann mir gut vorstellen, dass an Voxel Turf die Meinungen auseinander gehen könnten. Es ist ein gutes, umfangreiches Spiel mit ausreichend Spieltiefe und Möglichkeiten, um den Spieler viele viele Stunden bei Laune zu halten.

Es ist jedoch auch ein wenig schwer in das Spiel hinein zu kommen, hier könnten ein besseres Tutorial und mehr Erklärungen Abhilfe schaffen.
Wer nicht davor zurückschreckt sich in ein komplexes Spiel einzuarbeiten, der wird mit einem Spiel belohnt, dass eine herausragende Spieltiefe liefert. Die unterschiedlichen Aspekte und Modi des Spiels sorgen für langanhaltenden Spielspaß.

Voxel Turf ist tatsächlich eines der Minecraft-inspirierten Spiele, die das Blöckchen bauen wirklich verbessert und mit interessanten Spielkonzepten angereichert haben. Von den oben genannten versprochenen Features ist alles enthalten. Umso beeindruckender, dass das Spiel von dem Entwickler komplett alleine umgesetzt worden ist und er alle angepriesenen Features auch bereitstellt.

Unser Tipp: Für den günstigen Preis auf jeden Fall einen Blick wert. Auf Wunsch stellen wir auch gerne einen Dedicated Server für Voxel Turf zur Verfügung.

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