Im Alphastadium durchs All - Space Haven im Linux Review

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Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2020. Dies sind die Abenteuer deines Raumschiffs, das mit seiner zu Anfang kleinen Besatzung unzählige Züge lang unterwegs ist, um neue Sektoren zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der unbewohnbaren Erde entfernt, dringt dein Raumschiff in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gelootet hat.

Herzlich Willkommen in Space Haven, einer charmant pixeligen Weltraum Erkundungs-, Handels-, Kampf-, Aufbau- und Lebensimulation. Wir haben für dieses Review einen Steamkey zur Verfügung gestellt bekommen und werfen für euch einen Blick auf den Titel.

Kurz zum Thema

2014 war es, als Double Fine sein Spiel Spacebase DF-9 nicht mit den während des Early Access Funding versprochen Funktionen versah sondern "halbgar" als Version 1.0 veröffentlichte, bald darauf verstieß und sich selbst überließ. Im Zuge dessen hagelte es negative Bewertungen für diese eigentlich ganz solide comicartige Simulation rund um den Bau einer Raumstation.
Seither haben einige Entwickler sich an ihrer eigenen Version des Spiels versucht um die enttäuschten Fans im Nachgang zu befrieden. Space Haven könnte man als einen weiteren solchen Versuch miteinbeziehen, schreiben die Entwickler doch selbst, dass ihr Machwerk durch Rimworld, Oxygen Not Included, Spacebase DF-9 und Dwarf Fortress inspiriert ist.
Beim Verfassen dieses Textes befindet sich das Spiel bereits in einem sehr guten, absolut spielbaren Zustand, welcher aber weiterhin als "Alpha", genauer "Alpha 10 (0.10.2)", deklariert wird.

Vorbereitende und optionale Schritte

Nach dem, mit lediglich circa 220MB winzigen, Download startet man über das Hauptmenü ein neues Spiel mit dem Spielmodus "normal", mehr gibt es derzeit noch nicht, und einem von derzeit zwei Szenarios. Hier sollte man als Anfänger "Einfache Plattform" wählen, was einem Tutorial gleicht. Zuvor kann man sich aus dem Hauptmenü heraus in der BugByte-Cloud registrieren und anmelden. Nach Aussage der der Entwickler primär um Fragen zum Spiel stellen zu können und um Fehler/Bugs zu melden. Fernab davon bietet der Entwickler mannigfaltige Möglichkeiten um an Neuigkeiten zu kommen oder mit ihm in Kontakt zu treten. Auf der Homepage (Link) zum Spiel befinden sich Links zu Steam (Link), einem RedditSub (Link), Twitter (Link), Facebook (Link), Instagram (Link), Tumblr (Link), Discord (Link) sowie einem eigenen Forum (Link). Irgendwie wird man sein Feedback zum Spiel also definitiv los.

Losgelegt und angezockt

Beinahe schon erwartungsgemäß hat die Menschheit die Erde weitestgehend zerstört und unbewohnbar gemacht. Sturköpfig wie die Menschen nun mal sind, hat sie sich mit ihrem Schicksal des Aussterbens aber nicht abgefunden sondern sich in den Weltraum gerettet. Der Geschichte des Trailers folgend, ist das Raumschiff des Spielers eine dieser Rettungsinseln der Zivilisation in den Weiten des Weltalls.

Was erwartet den virtuellen Raumfahrtflottenkommandeur aktuell im Bezug auf Space Haven? Ein Tutorial zu Beginn des Szenarios "Einfache Plattform" bringt die Basics des Spiels schnell nahe, doch vieles muss man später selbst herausfinden. Neben diesem ist derzeit noch ein weiteres Szenario mit dem Namen "Verlassene Förderstation" spielbar. In beiden Szenarien muss das eigene Raumschiff mit allerlei Gerätschaften bebaut, gewartet und letztlich auch vergrößert werden. Wem ein Schiff nicht genügt, der kann weitere Schiffe bauen oder (einige, nicht alle) verlassene Schiffe reparieren und in Besitz nehmen. Ferner müssen herumfliegende Asteroiden von ihren sehr belastenden Ressourcen befreit werden, um diese im Anschluss zu veredeln, zu verbauen oder zu verkaufen.

Die liebe Diplomatie

Andere, computergesteuerte, Schiffe können und werden sich zeitgleich mit dem Spieler in einem Sektor aufhalten. Diese sind keinesfalls zur Dekoration vor Ort sondern können kontaktiert oder bekämpft werden und sind in der Lage mit ihrer Umgebung zu interagieren. Generell kann man zu anderen Fraktionen ein befreundetes, neutrales oder kriegerisches Verhältnis haben.

Wundern darf man sich also nicht, wenn die Besatzung eines fremden Schiffes durch den Sektor fliegt oder sich verfeindete Fraktionen ohne Zutun des Spielers gegenseitig ins Jenseits schicken. Letzteres muss für den Spieler nicht unbedingt negativ sein. Die Crew eines neutralen zerstörten Schiffes sendet ggf. einen Notruf und fragt, ob sie an Bord kommen darf. Flüchtlinge integrieren sich nicht komplett in die Crew sondern sind als temporäre Gäste anzusehen. Direkt Steuern lassen sie sich nicht. Sie sind zu versorgen, brauchen einen separaten Wohn-, Schlaf-, Ess- und Sanitärbereich, führen einfache Aufgaben aus und werden, wenn ein Raumschiff ihrer Fraktion in Reichweite kommt, euer Schiff wieder verlassen wollen. Es winkt eine Belohnung wenn man diesem Wunsch nachkommt, man kann sich allerdings auch weigern.

Get ALL the stuff!

Sich über die Hinterlassenschaften weniger erfolgreicher Kapitäne her zu machen ist Teil des Spielprinzips. Space Haven ist jedoch etwas eigen was die Wiederverwendung fremder Schiffe angeht. Diese müssen explizit durch das Spiel selbst als "durch den Spieler reaktivierbar" markiert sein. Soll heißen: Nicht jedes gefundene Geisterschiff kann man reparieren und der eigenen Flotte hinzufügen. Schade eigentlich.
Ob zu übernehmen oder lediglich auszuschlachten, verlassene Schiffe müssen zuvor von der Mannschaft erkundet werden. Eine gewisse Bewaffnung sollte im Zuge dessen stets im Gepäck sein. Nicht selten werden im All treibende Geisterschiffe mittlerweile wieder von neuen, bösartigen Bewohnern in Anspruch genommen. Sind alle Räume erkundet und alle Gefahrenquellen beseitigt, steht einer Bergung nichts mehr im Wege.

Mit den geborgenen oder abgebauten Gütern versorgt man seine Crew, erforscht neue Technologien, lädt den Hyperdrive oder verscherbelt den Kram an das meistbietende befreundete Raumschiff in der Nähe. Hat man alle im Sektor befindlichen Ressourcen geräubert, und steht auch sonst kein Grund mehr an um zu verweilen, aktiviert man kurzerhand den bereits erwähnten Hyperdrive um den nächsten Quadranten unsicher zu machen.

Meuterei auf der Space-Bounty?

Was die Versorgung der eigenen Crew angeht, dies gestaltet sich stellenweise verzwickt. Diese ausgebildeten Weltraumakrobaten finden es gar nicht unterhaltsam zu hungern, zu erfrieren, keine Luft mehr zu bekommen oder direkt neben dem Reaktor auf dem Boden zu schlafen. All diese und noch weitere Punkte können über ein Overlay im Spiel überwacht werden und sollten bei der Schiffsplanung Beachtung finden, damit Crewmitglieder zufrieden und effizient arbeiten.

Charaktere erdreisten sich darüber hinaus ihre jeweilig eigenen Vorlieben und Charakterzüge zu besitzen. Während der Eine ein besonders guter Unterhändler ist, gerät der Andere in Kampfsituationen nicht sofort in Panik. Jedes Crewmitglied möchte idealerweise nach seinen persönlichen Fähigkeiten eingesetzt werden. Hier zeigt sich das Spiel jedoch, zumindest auf einfacher Schwierigkeit, durchaus bereit Fehlzuordnungen zu verzeihen.

Quadratmeterpreise und Fachkräftemangel

Mit stetigem Fortschritt geht irgendwann der Platz auf dem Schiff aus. Für dieses Problem bleibt nur der buchstäbliche Anbau, also die Vergrößerung des Schiffs. Ersatzweise kann man auch direkt ein zusätzliches Schiff konstruieren aber dafür bedarf es Systembaupunkte und teils vieler zusätzlicher Ressourcen für den Bau und den Unterhalt des zusätzlichen Schiffes. Auch sollte man sich die Frage stellen, ob die aktuelle Personaldecke ausreicht um alle Hebel und Rädchen auf einem weiteren Schiff bedienen zu können.

Unabhängig von der Anzahl der Schiffe in der eigenen Flotte, im Spiel geht irgendwann, neben vielen anderen Dingen, ein weiterer "Rohstoff" zur Neige. Eine intergalaktische Agentur für Arbeit gibt es in Space Haven bislang nicht und neue Crewmitglieder wachsen scheinbar nicht auf Bäumen. Man sollte nicht verpassen auf den Streifzügen im Weltall die Augen nach Kryoschlafkapseln auf verlassenen Schiffen offen zu halten. Selten findet sich in einer solchen ein Prinz oder eine Prinzessin die nur darauf warten weltraumtauglich wachgeküsst zu werden, um sich anschließend dankbar der Crew anzuschließen.

Die GPU im Standby

Getestet wurde Spave Haven unter Ubuntu auf dem TUXEDO Book XC1706, auf einem Sechskerner Desktop-PC mit einer AMD Radeon RX 460, einer AMD Radeon RX 570 und einer AMD Radeon HD 6870 sowie, für die Extreme, auf so richtig schön urig alter Notebookhardware, im Detail ein Acer Aspire One mit Intel Pentium 997-Prozessor (2x1.60GHz), 4GB Ram und Intel HD 2000 Grafik.

Die zuletzt genannte Plattform war die einzige im Test die zeitweise mit dem Titel kämpfte. Hier brach die Bildwiederholrate stellenweise auf einen für manche Augen unspielbaren Wert von 30 ein. Aktivierte man zusätzlich "Bloom" im Optionsmenü, verringerte sich dieser weiter auf einen, diesmal wirklich, unspielbaren Wert zwischen 10 und 20. Auch der in der Sektorenübersicht genutzte Grafikeffekt lies die Frameraten einbrechen. Nadelöhr dürfte demnach der Intel-Grafikchip sein.

Fazit hier: Nach heutigen Maßstäben läuft Space Haven sogar auf einem Toaster und hat wenig Ansprüche an die Hardware.

Kommerzfördernde Maßnahmen

Gekauft werden kann der Titel derzeit leicht vergünstigt (-20%) für etwa 18€ bei den verschiedenen Anbietern. Gespielt wird jedoch, Stand jetzt, entweder die Steam-Version (Link) oder die GOG-Version (Link) mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Zum Erstellen dieser Review wurde uns ein Steamkey zur Verfügung gestellt und die entsprechende Version genutzt.

Fazit

Space Haven ist eine 2D-Weltraumhandelserforschungsstrategiekampfsimulation (sagt das 10x schnell hintereinander) und möchte am liebsten alles auf einmal davon sein. An und für sich funktioniert das auch recht gut. Der Titel macht Spaß und bringt diesen "nur noch diese eine Sache!"-Faktor mit, der einen bis spät in die Nacht hinein an den Bildschirm fesselt.

Klettert die investierte Spielzeit einer Session aber langsam in den zweistelligen Bereich, stellt sich etwas Ermüdung durch die häufig zu wiederholenden Aufgaben ein, sei es verlassene Schiffe durchsuchen oder nach knapp werdenden Ressourcen Ausschau halten. Auch ist der Zeitaufwand um neue Technologien zu erforschen immens hoch was den wahrnehmbaren Fortschritt im Spiel träge wirken lässt. Im Zuge dieses Reviews war es nicht möglich den erforschbaren Techtree komplett zu erkunden. Circa 35% waren, bei etwas über 30 Stunden Spielzeit, möglich. Die genannten Kritikpunkte sind aber wenig schmerzhaft, ruft man sich ins Gedächtnis dass man einen Titel im Alphastadium spielt und in den nächsten Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit noch an vielen Stellschrauben gedreht werden wird.

Space Haven ist bereits sehr gut und hat das Zeug dazu ein noch schickerer, retro-pixeligerer und unterhaltsamerer Titel zu werden. Wir sind gespannt und beobachten die Entwicklung weiterhin.

Im Zuge dieses Reviews fand eine Überarbeitung des zum Spiel gehörenden Artikels statt. Dort findet man weitere Informationen zum Spiel die es, aus Gründen, nicht in diesen Text geschafft haben.

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